Kunsthaus & Outsider Art

Freiraum für Ideen

Das „Kunsthaus Kannen“ hat sich seit 1996 mit
Ausstellungen und internationalen Kolloquien einen Namen gemacht.

Neben dem Ausstellungssaal haben Künstlerinnen und Künstler wie Wilke Klees einen Atelierplatz. Begegnung mit einem Kreativen, der von den Alexianern unterstützt wird – und derzeit mit der Japanerin Chisato Tomokiyo zusammenarbeitet.

In japanischen Zeitschriften finden sich Yonkoma-Mangas, die in vier Bildern eine Geschichte erzählen. Wilke Klees, Künstler mit eigenem Atelier im Kunsthaus Kannen, mochte die Technik sofort, als die japanische Künstlerin Chisato Tomokiyo zum ersten Mal den Alexianer-Campus besuchte und das Prinzip mithilfe von vier Bögen Papier erklärte – ein Langzeitprojekt begann, das die Gaststudentin der Kunstakademie und den jungen Mann aus Dülmen nun schon ein Jahr verbindet, zahlreiche Geschichten hervorgebracht hat und zuletzt zu zwei großformatigen Mangas für das Cáfe im Sinnespark führte.

„Es ist einfach wunderbar, wie wir hier durch Kunst kommunizieren“, sagt Tomokiyo, die sich mit Klees auf Englisch austauscht: „Den Reiz, den ich in der Zusammenarbeit mit Wilke spüre, verspüre ich nicht, wenn ich allein arbeite“. Klees wiederum sagt, während er neue Motive skizziert: „Es macht Spaß, sich gegenseitig zu ergänzen und Ideen weiterzuführen.“

Wobei das mit dem Spaß nicht einfach dahingesagt ist. Das gute Gefühl, das sich beim Zeichnen und Malen einstellt, ist für Klees ein wesentlicher Grund, immer wieder zu Stift, Pinsel und Graffiti-Dose zu greifen, und viele seiner Arbeiten sind sehr humorvoll: „Immer positiv denken und nach vorne schauen“, sagt er, „das ist wichtig. Es soll lustig sein.“

Im Kunsthaus können sich Talente entfalten

Klees ist nicht der einzige Künstler, der im Kunsthaus Kannen gefördert wird: Fast alle der 20 Arbeitsplätze sind derzeit belegt, von Alfred Olschewski, der an einem sehr aufgeräumten Arbeitsbereich strenge „Streifenbilder“ anfertigt, über Helmut Licznierski, der derzeit an mannshohen Tonskulpturen arbeitet, bis zum erfahrenen Robert Burda, der sein Leben seit Jahrzehnten in detaillierten Bildern verarbeitet.

„Die Künstlerinnen und Künstler mit eigenem Atelierplatz“, sagt der Kunsttherapeut Thomas Schwarm, „haben besondere Talente. Wir stellen ihnen professionelle Unterstützung und Begleitung für ihren künstlerischen Weg zur Verfügung.“ Sie können sich im Kunsthaus auf ganz persönliche Weise entfalten, ihre Techniken weiterentwickeln und auch die angemessene Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren.

Mit diesem Engagement, zu dem auch Ausstellungen, Messen und der im Kerber-Verlag veröffentlichte Katalogband „Das Kunsthaus Kannen Buch“ gehören, hat sich das Kunsthaus über die Jahre einen Namen in der Kunstszene gemacht. Der renommierte Kurator Kasper König zum Beispiel bezeichnet das Kunsthaus, das mit vollem Namen „Kunsthaus Kannen – Museum für Outsider Art und zeitgenössische Kunst“heißt, als „Initiative auf hohem Niveau“ und „Bereicherung für unsere Gesellschaft“: „Ich selbst habe eine größere Anzahl an Papierarbeiten erworben und bin immer wieder erstaunt über die hohe Qualität.“

Die künstlerische Leiterin der Centrale for contemporary art in Brüssel wiederum, Carine Fol, zählt das Kunsthaus mit seiner Werkstatt, seinen Ausstellungen, seinen Kolloquien und Projekten wie dem „2 x 2 Forum“ zu den „führenden Akteuren auf dem Gebiet der Outsider-Kunst in Deutschland und Europa“.

Das Museum ist auch ein Ort der Begegnung

Die Anfänge des Kunsthauses gehen auf das Jahr 1996 zurück. Damals stellten die Alexianer besonders begabten Langzeitpatienten und-patientinnen, deren Kreativität seit den frühen 1980er-Jahren gefördert wurde, eine Villa am Eingang ihres Geländes für Ateliers zur Verfügung. Man konzipierte erste Ausstellungen und baute eine Kunstsammlung auf, die mittlerweile über 5.000 Werke umfasst.

„Ein Kunsthaus auf einem Psychiatriegelände, das war ein früher und ungewöhnlicher Schritt in Richtung Inklusion“, sagt die Kunsthausleiterin Lisa Inckmann. Zwar habe es schon immer die Kirche der Alexianer gegeben, die nicht nur Patientinnen und Patienten und Klinikangehörigen der Alexianer offenstand, sondern auch regionalen Besuchern, und den Sinnespark gab es auch. Aber mit dem Kunsthaus, erst recht mit dem Neubau im Jahr 2000, der einen großen lichten Ausstellungssaal hat, architektonisch auf Transparenz setzt und durch die Parkumgebung doch auch geborgen daliegt, „öffnete sich die Einrichtung noch einmal auf ganz andere Art nach außen.“ Kunstinteressierte trafen auf Alexianer-Künstler. „Heute ist das alltäglich.“

Lisa Inckmann ist bis heute von der Kunst angetan, die von geistig behinderten oder psychisch kranken Menschen geschaffen wird. Während sie im lichtdurchfluteten Museumssaal durch die aktuelle Ausstellung „In der Meeresweite meiner Seele“ führt, die Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem gesamten Bundesgebiet präsentiert, sagt sie: „Ein Reiz liegt darin, dass diese Werke nicht perfekt sind. Sie wirken auf mich manchmal freier und offener, leichter im Zugang als vieles andere, was man in der etablierten Kunstwelt sieht.“

Diese Sätze taugen vielleicht auch als ein Baustein für die Erklärung, weshalb sich die Kunstwelt bis hin zum Kunstmarkt in den letzten Jahren so für „Outsider Art“ interessiert – so stark, dass bei einem Kolloquium im Kunsthaus Kannen bereits diskutiert wurde, ob überhaupt noch von „Outsider Art“ die Rede sein kann.

Im Eingangsbereich, vor dem Museumsshop, treffen wir wieder auf Wilke Klees und Chisato Tomokiyo, die Lisa Inckmann bei einem von ihr ausgerichteten Seminar zum Thema „Psychiatrie und Kunst“ kennenlernte. Das Seminar an der Kunstakademie brachte 18 Studierende mit Künstlerinnen und Künstlern des Kunsthauses zusammen. Als es mit einer kleinen Ausstellung abschloss, wollten Tomokiyo und Klees, der schon immer Comic-Fan war und die kreativen Impulse aus Japan genoss, die Zusammenarbeit gern fortsetzen.

Die beiden verabschieden sich von Lisa Inckmann. Sie wollen zum Café am Sinnespark hinübergehen und die wandfüllende Bildergeschichte abschließen, die mit vier Motiven von einem Urlaub in Corona-Zeiten erzählt. „Ich war mit meiner Wohngruppe im Harz“, sagt Klees lachend, „meine Urlaubserzählungen waren der Ausgangspunkt für das Werk.“ Aber das, was daraus geworden ist, diese Geschichte mit Außerirdischen, die er malte und Chisato Tomokiyo mit Onomatopoetika und typisch japanischen Effekten versah, das passe irgendwie besser.


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