Innovatives Arbeitszeitmodell

„Das Vertrauen ist ein großes Geschenk“

Sabrina Roßius hat erfolgreich ein neues Arbeitszeitmodell für die Intensivstation in Berlin entwickelt und eingeführt.

Mit einem neuen Arbeitszeitmodell hat Sabrina Roßius die Intensivstation im Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin erfolgreich neu aufgestellt. Im Interview erzählt sie von ihrer Idee, von dem, was sie bewegt hat und welche Unterstützung sie erhielt.

Frau Roßius, Sie haben ein Arbeitszeitmodell für die Intensivstation im Krankenhaus Hedwigshöhe entwickelt. Warum war das Ihrer Meinung nach notwendig?
Ich bin seit 2011 auf der Station tätig, habe mein Examen hier gemacht und jahrelang in Teilzeit gearbeitet. Die Station ist immer auch mein Zuhause gewesen. Irgendwann hat sich in mir allerdings eine gewisse Unzufriedenheit breitgemacht, ich hatte das Gefühl, die Stimmung im Team sei oft sehr angespannt. Der Grund dafür waren in meiner Wahrnehmung die Arbeitszeiten. Zu viel, zu wenig, zu lang – ständig wurde über die Arbeitszeiten geschimpft. 

Zur Person

Sabrina Roßius ist 35 Jahre alt. Sie arbeitet seit 2011 im Krankenhaus Hedwigshöhe und hat ihr Examen auf der Intensivstation gemacht. Sie studierte Pflegemanagement und leitet seit 2017 die Intensivstation. Seit 2018 engagiert sie sich im Vorstand des Bundesverbandes Pflegemanagement. Sabrina Roßius ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Berlin.

Welche Konsequenz haben Sie daraus gezogen?
Ich habe gedacht, dass es doch nicht sein kann, dass ein Team kaputtgeht, weil die Arbeitszeiten unbefriedigend sind. Man muss doch mal darüber nachdenken, was man an der Stelle verändern kann. Ich bin damit dann zu unserer Pflegedirektorin, Frau Reimer, gegangen und habe sie auf meine Beobachtung aufmerksam gemacht. Ich war damals noch eine normale Krankenschwester mit einer 60-Prozent-Stelle, dennoch hat die Pflegedirektorin mir zugehört und mich gefragt: „Was ist denn ihre Idee?“

Was haben Sie geantwortet?
Dass ich gern ein Projekt dazu machen würde. Ich hatte während meiner Elternzeit ein Fernstudium in Pflegemanagement angefangen, da fehlte mir noch die Bachelorarbeit, und das schien mir genau das richtige Thema dafür zu sein.

Wie sah das dann im Einzelnen aus?
Mir war von Anfang an klar, dass es ein bedürfnisorientiertes Arbeitszeitmodell werden muss. Natürlich orientiert an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten. Wir haben die Versorgung unserer Intensivpatientinnen und patienten, die in einem Zeitraum von 24 Stunden gewährleistet werden muss, überprüft. Jeden Handschlag und jedes Detail der Versorgung haben wir unter die Lupe genommen. Daran angelehnt haben wir für die Testphase acht verschiedene Dienstzeiten entwickelt. Wir haben die Dienste verändert, umstrukturiert, verkürzt, teilweise verlängert, wir haben einen Leitungsdienst etabliert, einen Zwischendienst mit Gleitzeit, Tätigkeiten wurden verlagert und Kontroll- und Checktools entwickelt.

Wie verlief die Umsetzung des neuen Modells auf der Station? Gab es auch Kritiker?
Allerdings! Nicht alle im Team waren so begeistert wie ich. Ich bin auf großen Widerstand gestoßen. Da verändert plötzlich jemand die Arbeitszeiten, dabei ist das doch eine Konstante, etwas Gewohntes, auf das man sich verlassen kann, auch wenn man damit meistens unzufrieden ist. In der Testphase war das nicht immer ganz einfach. Während des laufenden Prozesses habe ich auch noch zusätzlich die Stationsleitung übernommen, das war für mich eine Herausforderung und eine weitere neue Situation für das Team. Aber wir haben uns zusammengerauft, die Kollegen haben sich auf das Experiment eingelassen, und das Modell hat sich bewährt. Sechs der acht Bausteine haben wir tatsächlich nach der Testphase beibehalten.

„Man kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur dauerhaft binden, wenn sie sich mit ihrer Tätigkeit identifizieren.“

Sabrina Roßius

Hat sich die gewünschte Zufriedenheit auf der Station eingestellt?
Ja, wir sind ein sehr gut funktionierendes Team. Wir sind heute viel besser und breiter aufgestellt. Wir haben Zeit für Zusatzbehandlungen, die zum Wohlgefühl der Patientinnen und Patienten massiv beitragen.
Ich glaube mittlerweile, dass man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur dauerhaft binden kann, wenn sie sich mit ihrer Tätigkeit identifizieren. Wenn sie unter guten Bedingungen, mit ausreichend Zeit und qualitativ hochwertigem Material Menschen versorgen können. Dann stellt sich automatisch Zufriedenheit ein.

Welche Unterstützung haben Sie bei dem Prozess vom Haus erfahren?
Ich glaube, die hilfreichste Unterstützung war das Vertrauen, das mir vonseiten der Pflegedirektion entgegengebracht worden ist. Jeder, der eine gute Idee hat, trifft dort auf ein offenes Ohr, ungeachtet der Position oder Hierarchie. Frau Reimer hat mich selbstständig machen lassen und zu jeder Zeit an mich geglaubt. Das war ein wahnsinnig großes Geschenk.

Glauben Sie, dass diese Art der Unterstützung und Motivation ein Alexianer-Markenzeichen ist?
Ganz sicher. Die Alexianer sind sehr großzügig mit Lob und motivierendem Zuspruch. Ich wurde für den Nachwuchspreis für Pflegemanagement nominiert und habe ihn auch tatsächlich gewonnen. Dabei habe ich erfahren, wie stolz die Alexianer auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Ich bin über dieses Projekt auch in die Berufspolitik gerutscht und engagiere mich seither im Vorstand des Bundesverbandes Pflegemanagement. Auch dabei werde ich ohne Einschränkungen von meinem Arbeitgeber unterstützt und bekomme die Freiheiten, die ich sowohl für meinen Beruf als auch für mein Engagement benötige.


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