Ehrenamt

Das gewisse Extra

In den Pflegeheimen der Alexianer engagieren sich viele Freiwillige für die Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Betreuungsqualität wäre auch ohne ehrenamtliche Unterstützung gesichert. Aber erst mit ihr werden die Einrichtungen zu dem, was sie sind. Ein Besuch in Münster.

Bernhard Sandbothe mag das Wort nicht. „Ehrenamt“, sagt der Leiter zweier Pflegeheime in Münster: „Das klingt so nach Urkunde.“ Viel schöner wäre es doch, wie im Englischen von „Volunteers“ zu sprechen, was übersetzt „Freiwillige“ bedeutet.

Doch das sind nur Begrifflichkeiten. Wichtig ist: „Die Ehrenamtlichen stemmen in unseren Einrichtungen Dinge, die wir gar nicht stemmen könnten.“ Sie kommen zum Beispiel ins Achatius-Haus nach Wolbeck, um für die 66 Bewohnerinnen und Bewohner das Café zu betreiben, in dem es an jedem Nachmittag Kaffee und Kuchen zum Selbstkostenpreis gibt. Sie gehen mit ihnen Spazieren. „Und erst diese Dinge, die über das normale Geschehen in einem Pflegeheim hinausgehen, geben einem Haus das gewisse Etwas.“

Alleine das Achatius-Haus unterstützen fünfzig Freiwillige

Sandbothe redet nicht von ein oder zwei Menschen, die sich engagieren. Alleine zum Achatius-Haus gehören derzeit rund fünfzig Ehrenamtliche, im kleineren Haus Heidhorn südlich von Hiltrup, in dem es keine dörfliche Umgebung gibt (und auch kein personalintensives Café), knapp über zehn. „Hauptsächlich Frauen in höheren Lebensjahren.“ Aber der Pflegeberuf sei ja auch eher ein weiblich geprägtes Arbeitsfeld. „Und einige Männer haben wir schon. Es gibt zum Beispiel einen engagierten Herrn, der mit drei schwerbehinderten Bewohnern kniffelt, einen anderen, der den Bewohnern morgens aus der Zeitung vorliest, oder einen, der mit Fahrdiensten hilft.“

Von der allgemeinen Krise des Ehrenamtes, die gelegentlich diskutiert wird, kann Sandbothe in seinen Einrichtungen nichts spüren. „Wir leben hier in einem ländlichen Umfeld, in dem sich noch vergleichsweise viele Leute in Sport- und Karnevalsvereinen oder für die Kirchengemeinde engagieren.“

Dennoch gibt es Felder, die mehr Ehrenamtliche gebrauchen könnten, wie der Besuchsdienst für Demenzkranke. Und wenn Barbara Hoebink-Johann vom Förderverein des Achatius-Hauses jüngere Gesichter für den Vereinsvorstand zu gewinnen versucht, erlebt sie das gleiche, was man auch häufig in Vereinen und Projekten außerhalb des Heimes erlebt: „Viele Menschen zögern, sich verbindlich einzubringen. Die Akzente werden anders als früher gesetzt. Ihr Alltag ist vielfältiger, schnelllebiger und komplizierter geworden.“ Sie scheint, was die Zukunft ehrenamtlicher Arbeit betrifft, etwas skeptischer als Sandbothe zu sein.

Auch Andrea Hellgermann, die als Leiterin des Bereichs „Soziale Dienste“ im Achatius-Haus unter anderem für die Koordinierung der freiwilligen Helfer zuständig ist, macht sich so ihre Gedanken. Aktuell sei es „nicht besonders schwierig“, Nachwuchs zu finden, stimmt sie Sandbothe zu. Sie habe „eine lange Liste“ mit Männern und Frauen, die sie durchgehen könne, wenn etwa spontan Unterstützung für Ausflüge gebraucht werde, und gerade auch aus der benachbarten Kirchengemeinde komme viel Unterstützung.

„Aber ich habe schon den Eindruck, dass die Bereitschaft, sich kontinuierlich und verlässlich zu engagieren, abnimmt“, sagt Hellgermann. „Viele rüstige Rentner von heute sind vielseitig eingebunden, sehr mobil und möchten flexibel bleiben.“

Die Helferinnen und Helfer wachsen mit den Häusern zusammen

Dabei kann es so erfüllend sein, sich für ältere Menschen ins Zeug zu legen. Das erlebte zum Beispiel die frühere Lehrerin Susanne Loheide, die eine von den Ehrenamtlichen ist, deren Name im Haus Heidhorn sofort fällt. Loheide kam mit dem Pflegeheim zum ersten Mal in Kontakt, als sie im Jahr 2008 einen Heimplatz für ihre Mutter suchte. Die Mutter fand ein neues Zuhause, und Loheide wurde als Angehörige 2014 zur Vorsitzenden des Bewohnerinnen- und Bewohnerbeirats gewählt, in dem es die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner stellvertretend gegenüber der Heimleitung zu vertreten gilt. Und sie übernahm eine weitere Aufgabe: als Chefredakteurin der neu ins Leben gerufenen Heimzeitschrift. „Als meine Mutter vor zwei Jahren starb, gab ich den Vorsitz im Beirat auf. Nun widme ich mich ganz der Heimzeitschrift, die zweimal pro Jahr erscheint. So kann ich weiterhin die angenehme, vertrauensvolle Atmosphäre und das Lachen im Haus Heidhorn genießen.“ Sie fühlt sich dem Haus weiter verbunden, und so geht es vielen ehrenamtlichen Helfern, die mit den Einrichtungen zusammengewachsen sind.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift, die 36 Seiten umfasst, wird unterdessen ein neuer Ehrenamtler vorgestellt: „In meinem Leben habe ich viel Positives erfahren dürfen“, schreibt er, „und so war für mich immer klar: Ich möchte davon etwas zurückgeben und mich […] gesellschaftlich engagieren.“ Im „Haus Heidhorn“, das er von seinen Radtouren kenne, werde er fortan einige Stunden pro Woche anwesend sein, „um gemeinsam zu erzählen, zu lachen, zu schweigen und sich gegenseitig verstanden und wahrgenommen zu fühlen“. 


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