Allianz gegen Krebs

„Eine Partnerschaft,
die gut funktioniert“

Bei der Behandlung von Krebserkrankungen kommt es stark auf die Zusammenarbeit der Kliniken und Praxen der Region an.

Was selbstverständlich klingt, ist im deutschen Gesundheitssystem eine Seltenheit: Über die „Münsteraner Allianz gegen den Krebs“ sind die Raphaelsklinik, das Clemenshospital, die Fachklinik Hornheide und viele Arztpraxen bis hin zur Krebsberatungsstelle verbunden – das Resultat sind kurze Wege, schnelle Termine und eine hohe Behandlungsqualität.

Diese Treppen! Torsten Weber (Name geändert) ging auf dem Weg zu seiner Wohnung im zweiten Stock im Frühjahr plötzlich die Puste aus – und das nicht nur einmal, sondern jedes Mal, wenn er die Treppen in Angriff nahm. „Du warst gerade krank“, versuchte er sich zu beruhigen: „Du bist halt nicht fit.“ Als sich sein Befinden drei Wochen später nicht besserte, wurde er unruhig. Er konsultierte einen Arzt, der Wassereinlagerungen in der Brust entdeckte. Die Ursache: „Ein Muttermal, das ich für einen Pickel gehalten hatte“, sagt Weber. „Es erwies sich als schwarzes Melanom, hatte gestreut und eine Rippenfellentzündung verursacht, von der das Wasser in der Brust stammte.“

Weber konnte damals wesentlich schneller behandelt werden, als man so denkt – innerhalb weniger Tage. Das Clemenshospital der Alexianer, deren Thorax-Chirurgen die Metastasen entdeckten, kooperiert im Rahmen der „Münsteraner Allianz gegen den Krebs“ (MAgKs) nämlich mit der Hautkrebs-Fachklinik Hornheide: „Die Ärztinnen und Ärzte am Clemenshospital haben die Kooperation mit Hornheide erwähnt, als sie das Melanom sahen, mir auch direkt einen Termin beschafft, und so saß ich bereits wenige Tage später bei Dr. Fluck in Hornheide.“

Das durch die „Münsteraner Allianz gegen den Krebs“ ermöglichte Tempo kann für die Behandlung von Krebserkrankungen entscheidend sein. „Ein Krebspatient oder eine Krebspatientin lässt sich nur erfolgreich behandeln, wenn alle infrage kommenden Disziplinen eng zusammenarbeiten“, sagt Dr. Michael Fluck, Chefarzt und Koordinator am Hauttumorzentrum Hornheide. „Das klappt umso besser, je besser man sich kennt und je kürzer die Wege sind.“

Die Zusammenarbeit funktioniert natürlich auch in die andere Richtung. Hornheide, das größte Hautkrebszentrum Deutschlands, verfügt als hoch spezialisierte kleine Einrichtung beispielsweise über keine eigene bildgebende Diagnostik – also greift die Klinik auf das Clemenshospital zurück: „Das ist eine Partnerschaft, die sehr gut funktioniert. Wenn ich einen kurzfristigen Termin zur Computertomographie brauche, bekomme ich den.“

Den Austausch über die „Münsteraner Allianz gegen den Krebs“, zu der neben dem Clemenshospital und der Fachklinik Hornheide auch die Raphaelsklinik gehört, erlebt Fluck als „sehr intensiv“. Normal sei das nicht, auch wenn es normal sein sollte. Ohne die „MagKs“ würden die Patientinnen und Patienten womöglich Wochen auf einen Termin warten. Das wäre für sie belastend und für die Behandlung nicht gut.

Sicherlich gäbe es auch ohne die Partnerschaft irgendein Netzwerk, wie es jeder Arzt und jede Ärztin im Laufe der Karriere knüpft. Aber es wäre stärker von den Kontakten eines einzelnen Arztes oder einer einzelnen Ärztin abhängig und komplizierter. Zur Zusammenarbeit im Rahmen der „MAgKs“ zählt nicht zuletzt die regelmäßige Tumorkonferenz per Video, bei der Fachleute aus den Kliniken zusammensitzen und über Patientinnen oder Patienten mit schwierigen oder unklaren Krankheitsbildern reden.

Die Vorgeschichte der Allianz führt zu einem umtriebigen Strahlentherapeuten und Radiologen am Clemenshospital zurück, der heute im Ruhestand ist: Arnt-René Fischedick hatte dank seines Fachgebiets mit unterschiedlichen Häusern zu tun. Er begann verstärkt die Netzwerke zu knüpfen, die für die moderne Krebsbehandlung unerlässlich sind, und er drängte auch auf die Einrichtung zertifizierter, also regelmäßig von externen Gutachtern der Deutschen Krebsgesellschaft überprüfter Krebszentren für einzelne Organe wie Lunge oder Darm.

Dieser ständige Blick von außen ist wichtig. „Die Gutachter prüfen nicht nur die Versorgungsqualität, sondern auch die Versorgungsstruktur“, erklärt Dr. Jan Groetzner, der das Lungenzentrum am Clemenshospital mitaufbaute, heute leitet und gemeinsam mit Dr. Hans-Joachim Schulze von der Fachklinik Hornheide auch das onkologische Zentrum der „MAgKs“ führt. „Sie untersuchen zum Beispiel: Was wird angeboten, mit welcher Manpower und welchem Know-how? Wie sehen die Ergebnisse beim Blick auf die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus, Komplikationen oder die Sterblichkeit aus?“

Eine starke Allianz trotz unterschiedlicher Träger

Die Gründung der „MAgKs“ sei dann der nächste logische Schritt nach Gründung der Zentren für einzelne Organe gewesen: „Wir haben das organisch gewachsene Netzwerk intensiviert, bis wir an den Punkt kamen, an dem wir den unterschiedlichen Organkrebszentren einen organisatorischen Rahmen geben wollten.“ Ein Krebszentrum sollte her – das erste zertifizierte standort- und trägerübergreifende onkologische Zentrum Deutschlands.

Dass eine solche Zusammenarbeit möglich ist, haben damals nicht alle in der Branche für möglich gehalten: „Zwei Träger, drei Standorte, das schaffen Sie nie“, erinnert sich Groetzner, der die Koordination in die Wege leiten sollte. „Man sagte mir: Denken Sie nur an die unterschiedlichen Unternehmenskulturen! Jeder wird wollen, dass am Ende sein Marketingstempel auf der Allianz klebt!“

Anderthalb Jahre lang kam er sich bei seinen Gesprächen über gemeinsame Standards und Leitlinien vor „wie ein EU-Politiker“, der ein sinnvolles Projekt auf die Beine zu stellen versucht, bei dem alle Beteiligten um ihre Eigenständigkeiten und Freiheiten besorgt sind. 2012 dann war es soweit. Groetzner lacht: „Die onkologische Union!“ Die Zertifizierung erfolgte zwei Jahre später.

Nicht alle internen Diskussionen seien seither vom Tisch: „Wir sind eben immer noch verschiedene Unternehmen“. Die eigentliche Herausforderung sei aber das Thema Finanzierung, da die Kassen das Zentrum bislang nicht mittragen: „Zum Glück haben wir Träger, die von den Vorteilen der Allianz trotzdem überzeugt sind, und Mitarbeiter, die sich stark engagieren.“

Zu den Kooperationspartnern der Allianz gehören auch Einrichtungen außerhalb der Klinken wie große Praxen für Urologie, Gastroenterologie oder die größte onkologische Praxis Münsters. Ungefähr ein Drittel aller Patientinnen und Patienten, die im Münsterland an Krebs behandelt werden, kommt so in Berührung mit Einrichtungen der „MagKs“. Die Patientinnen und Patienten gehen „auf klaren Bahnen durch Diagnostik und Therapie“. „Gerade bei einer vielschichtigen Erkrankung wie Krebs braucht es ein Team von Experten und Expertinnen, das individuelle Therapieempfehlungen aussprechen und die Therapie in mehreren Schritten durchführen kann.“ Zum Angebot gehört auch ein „Zweitmeinungsportal“, das mit digitalen Kommunikationsformen vertraut ist, sodass Patientinnen und Patienten aus anderen Regionen zur Abgabe ihrer Unterlagen nicht unbedingt persönlich vorstellig werden müssen.

Auch die psychoonkologische Betreuung der Patientinnen und Patienten hält die „Münsteraner Allianz gegen den Krebs“ im Blick. Zum Netzwerk gehören Psychoonkologinnen und Psychoonkologen, die auf an Krebs erkrankte Menschen zugehen und ein Gespräch anbieten. Sie arbeiten für die Kliniken der Allianz oder für die Krebsberatungsstelle Münster, die es bereits seit 1993 gibt und die mittlerweile über zahlreiche Außenstellen im Münsterland verfügt. „Eine Krebserkrankung beeinflusst den Alltag sehr stark“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle, Gudrun Bruns. „Betroffenen und Angehörigen geht alles Mögliche durch den Kopf, von Ängsten bis zu der Frage, welche Sozialleistungen es gibt. Ihre psychosoziale Unterstützung ist genauso wichtig wie Blutdruckmessen, sowohl in der Klinik als auch nach der Entlassung.“ Und bei Bedarf werden die Betroffenen auch weitervermittelt. An andere Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder in eine Psychotherapie, wie sie zum Beispiel in der psychoonkologischen Ambulanz der EOS-Klinik der Alexianer angeboten wird.


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